Das Europäische Semester

 11. März 2022

Das Europäische Semester wurde 2011 eingeführt und dient der Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik, im Sinne der Beschäftigungs- und sozialpolitischen Aspekte, sowie der Erschaffung einer Strategie für nachhaltiges Wachstum.

 

Der Jahresbericht über nachhaltiges Wachstum (ASGS) legt die wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Prioritäten der EU für das kommende Jahr fest und markiert den Beginn des Zyklus des Europäischen Semesters. In den vergangenen Jahren hat die Kommission eine neue Wachstumsstrategie vorgestellt, die auf dem Europäischen Green Deal und dem Konzept der wettbewerbsfähigen Nachhaltigkeit basiert. In der diesjährigen ASGS hat die Kommission angekündigt, ihre umfassende wirtschaftspolitische Koordinierung, einschließlich der Veröffentlichung von Länderberichten und länderspezifischen Empfehlungen, wiederaufzunehmen.

 

Der im Ausschuss für Wirtschaft und Währung entwickelte Bericht, enthält die wichtigsten Aussagen zu:

 

  • den Maßnahmen der EU zur Abschwächung der Auswirkungen der Pandemie. Insbesondere die Bedeutung der Sonderfazilität für die nachhaltige und integrative Gestaltung der EU-Wirtschaft und das Konzept der europäischen Solidarität für den Wiederaufbau stehen hierbei im Fokus.

 

  • der Überprüfung des EU-Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung und die Beibehaltung der allgemeinen Ausweichklausel, auch „Escape Klausel“ genannt. Diese Ausweichklausel hat die EU-Vorschriften für nationale Haushaltsdisziplin vorübergehend außer Kraft gesetzt, um die Eindämmung der Auswirkungen der Pandemie zu gewährleisten. Sie wird auch 2022 weiter angewandt und voraussichtlich 2023 außer Kraft gesetzt, sofern die der Aktivierung zugrundeliegenden Umstände nicht mehr bestehen.

 

  • der Koordinierung der Steuerpolitik zwischen den Mitgliedstaaten und insbesondere die Beibehaltung einer unterstützenden Steuerpolitik für die erforderlichen, öffentlichen Investitionen zur Finanzierung von Sektoren, die für die Erholung, sowie die Widerstandsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft von strategischer Bedeutung sind. Auch die Steigerung der öffentlichen und privaten Investitionen für künftige Herausforderungen wird thematisiert.

 

  • den Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und Geldwäsche, um die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten, aber auch um nachhaltige, sozial ausgewogene und wachstumsfördernde Reformen und Investitionen zu verfolgen.

 

  • der Aufforderung an die Kommission, soziale und ökologische Aspekte stärker in die Semesterprozesse zu integrieren.

 

  • der Stärkung der demokratischen Rolle des Europäischen Parlaments im Rahmen der wirtschaftspolitischen Steuerung und engagierte Koordinierung mit den Sozialpartnern und anderen Akteur:Innen zur Stärkung der demokratischen Rechenschaftspflicht und Transparenz.

 

 

Zusätzlich ist es mir ein besonderes Anliegen, auf verschiedene Punkte besonders einzugehen. Dazu zählen unter anderem die Wachstumsstrategie, welche in der Säule „Gerechtigkeit“ u.a. Investitionen in Kompetenzen und Gesundheit, die Verfügbarkeit hochwertiger Arbeitsplätze, die Bekämpfung der Armut oder Inklusion und Gleichheit einschließen. Diese Punkte geraten besonders unter Druck, wenn die Fiskalregeln nächstes Jahr wieder eingesetzt werden und daher war es unserer Sozialdemokratischen Fraktion ein großes Anliegen dies auch im parallel laufenden Bericht des Beschäftigungsausschusses einzubringen. Zumindest in der länderspezifischen Phase sollte der Schwerpunkt auf die Förderung von Frauen, Gruppen mit schlechteren Arbeitsmarktchancen, den Ausbau sozialer Dienstleistungen, sowie der Bekämpfung der Armut gelegt werden. Doch vieles davon ist durch den Widerstand der Konservativen sogar hinter den Forderungen der letzten Jahre zurückgeblieben.

 

Außerdem, ist die Frage des sozial gerechten Übergangs („Just Transition“) zur Klimaneutralität eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre und muss noch stärker in den Fokus des Europäischen Semesters und der EU-Politik im Allgemeinen rücken. Offensichtlich ist, dass die bestehenden EU-Finanzierungsmöglichkeiten bei weitem nicht ausreichen werden. Zweifellos werden daher die Mitgliedstaaten den Hauptteil der Kosten der „Just Transition“ stemmen müssen. Hier gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion zur Überarbeitung der EU-Fiskalregeln. Entsprechend des Finanzierungsbedarfs der öffentlichen Hand braucht es endlich die Verankerung einer „goldenen Investitionsregel“, um den Mitgliedstaaten auch die erforderlichen fiskalischen Spielräume für grüne Infrastrukturen und sozial-, bildungs- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in der Transformation zu ermöglichen.

 

Darüber hinaus muss in diesem Zusammenhang auch die Frage der Vermögenskonzentration aktiv angegangen werden. Das Thema der ungleichen Vermögensverteilung im Europaraum wurde im Zuge der Pandemie sogar noch verstärkt und deutlicher ersichtlich. Diese Ungleichheit gefährdet den sozialen Zusammenhalt der EU-Staaten. Das zu niedrige Niveau vermögensbezogener Steuern hält den Mitgliedsstaaten wichtige Einnahmen vor, die für sinnvolle Investitionen in den sozialen Zusammenhalt (insbesondere in der Kinderbetreuung, Bildung und Pflege) und den digitalen und ökologischen Wandel investiert werden könnten. Es wäre daher mehr als naheliegend, wenn die Europäische Kommission in diesem Sinne im Rahmen des Europäischen Semesters für die gesamte Eurozone eine klare und unmissverständliche Empfehlung zum Ausbau vermögensbezogener Steuern aussprechen würde. Dass im vorgelegten Entwurf für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets vom November 2021 politische Maßnahmen adressiert werden, die aggressive Steuerplanung, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung verhindern sollen, ist wichtig, aber noch nicht ausreichend.