Nach der Juli-Plenarwoche und dem Abschied der Maltesischen Präsidentschaft (ich war übrigens im Saal) laufen die Vorbereitungen für Herbst auf Hochtouren. Diese Woche hat Estland die Ratspräsidentschaft übernommen und ihr Programm vorgestellt. Estland startet somit in die Trioratspräsidentschaft mit Bulgarien und Österreich. Beim Programm setzen die EstInnen ihren Schwerpunkt auf Digitales. An sich wäre das positiv, aber die Idee, mit digitalen Lösungen alleine den Unternehmen das Leben zu erleichtern, schmeckt mir gar nicht. Firmeneröffnungen per Mausklick in irgendeinem EU-Staat, ohne die Identität der Inhabers zu kennen, schafft Briefkastenfirmen „all over Europe“ und ist kontraproduktiv zu den Maßnahmen, die wir in Sachen Steuervermeidung setzen. Die Nationalen Systeme dürfen nicht weiter gegeneinander ausgespielt werden, Rechtssicherheit muss in Europa bestehen bleiben. Außerdem vermisse ich im Programm soziale Themen. Gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – dieses Prinzip muss endlich Realität werden. Arbeiten an der Entsende-RL und der Koordinierung der Sozialversicherungssysteme müssen vorangebracht werden, die Digitalisierung muss den ArbeitnehmerInnen und den Menschen in Europa dienen und Sicherheit in allen Lebensbereichen schaffen
Im EU-Parlament werden die Fronten zunehmend sichtbar, seit eine neue Allianz der Europäischen Volkspartei EVP, der Liberalen und der konservativen ECR–Fraktion sich gegen progressive Forderungen und Soziale Agenden stellen. Es konnte kein gemeinsamer Forderungskatalog des EU-Parlaments an die Kommission für das Arbeitsprogramm 2018 festgelegt werden. Die konservativ-liberale Mehrheit aus EPP, ECR und ALDE hat verhindert, dass wir als EU-Parlament konkrete Forderungen auf die kommenden Herausforderungen stellen. Aber wir werden hier nicht locker lassen. Das nächste Arbeitsprogramm der Kommission muss mehr sein, als nur eine To-Do Liste für das kommende Jahr. Die Soziale Säule muss Realität werden und mit dem ergänzt werden, was wir im EU-Parlament schon mit großer Mehrheit beschlossen haben: Eine Rahmenrichtlinie für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, eine Grundsicherung für Kinder in Armut und eine verbindliche Verankerung der Sozialpolitik im Europäischen Semester. Nur mit sozialen Mindeststandards, Mindesteinkommensschemen und einer Unterbindung von Lohn- und Sozialdumping können wir das Ost- Westgefälle unterbinden.
Das Präsidentschaftsprogramm von Estland findet ihr hier: https://www.eu2017.ee/de/programm
Den Forderungskatalog der sozialdemokratischen EU-Abgeordneten zum Kommissionsarbeitsprogramm findet ihr hier: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+MOTION+B8-2017-0454+0+DOC+XML+V0//DE