Europastunde im Nationalrat

 1. Februar 2018

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete zum Nationalrat! Sehr geehrte Abgeordnete des Europäischen Parlaments! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Kanzler Kurz hat in Paris von einer Veränderung Europas zum Positiven gesprochen. Ich hoffe, dass es ihm damit ernst ist. Ich hoffe, dass er mit einer erfolgreichen Ratspräsidentschaft Österreichs diese Veränderung tatsächlich positiv beeinflussen kann. – Sehr geehrter Herr Minister! Entschuldigen Sie, ich dachte, ich hätte Sie gleich zu Beginn begrüßt.
(Bundesminister Blümel: Alles gut!)

Damit haben wir eine große Verantwortung vor uns, denn die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist eine notwendige Aufgabe. Ich schätze es, wenn sich Kanzler Kurz vor die Europaflagge stellt und sagt: Ich bin Europäer! – Das sage ich als Sozialdemokratin, als überzeugte Sozialdemokratin. – Mir reicht es aber nicht, wenn ich dieses schöne Foto, dieses schöne Bild samt dem Satz: Ich bin Europäer!, sehe, sondern dieses Bild muss mit Leben erfüllt werden. Es kommt nicht auf die Inszenierung an, es kommt auf die Taten an. Da haben wir Österreicherinnen und Österreicher eine Chance, die Debatte über die Zukunft der Europäischen Union massiv mitzugestalten.

Ich möchte, dass wir ein Österreich haben, das sozial und steuerlich gerecht ist. Daher brauche ich auch ein Europa und möchte ich ein Europa haben, das seine Aufgaben wahrnimmt und das sozial und steuerlich gerecht ist. Um das Bild von Herrn Strolz von vorhin zu strapazieren: dass Regierungschefs in der Früh aufstehen und sich das beim Zähneputzen auch sagen, dass es dazu nicht ein Minimaleuropa, nicht ein Schmalspureuropa braucht, sondern dass man da schon um einiges aktiver und um einiges engagierter sein muss. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Damit komme ich zum Thema Subsidiarität: Subsidiarität ist unglaublich wichtig. Jeder soll auf seiner Ebene das wahrnehmen, was er machen kann. Subsidiarität ist allerdings nicht die Nationalismuskeule. Subsidiarität ist wesentlich mehr: Das ist aktive, gelebte Demokratie in Österreich, aber auch in Europa, wenn es genau darum geht, diese Themen – steuerliche und soziale Gerechtigkeit – auch wahrzunehmen.

Was würde so ein Schmalspureuropa bedeuten? – Es würde bedeuten, dass ungarische Erntehelfer in Burgenland mit einem Stundenlohn von 3 Euro abgespeist werden. Es würde bedeuten, dass wir weiter zuschauen, wenn in Irland von Internetmultis ungeheuerliche 0,005 Prozent Steuern eingehoben werden – und so könnte ich die Liste fortsetzen. (Abg. Hauser: Wieso haben Sie das nicht schon gelöst? …!) Das heißt, Lohn- und Sozialdumping passiert tagtäglich in Europa. Zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt es aus diesem Grund, Themen wie die Entsenderichtlinie ganz besonders ernst zu nehmen – gerade auch während der österreichischen Präsidentschaft.

Wir brauchen ein Europa, das die Bürgerinnen und Bürger schützt. Das ist eine der Prioritäten der Präsidentschaft, der Triopräsidentschaft. Daher nochmals: Dazu gehört die Entsenderichtlinie, dazu gehören auch Steuern. Ich schätze diese Themen sehr. Deshalb greife ich auch immer gerne die positiven Dinge auf, die auf dem Tisch liegen. Ich greife sehr gerne das Thema Google-Steuer auf. Das ist ein Thema, dessen Behandlung gerade wir in der Sozialdemokratie sowohl europäisch als auch national immer wieder eingefordert haben – gut, wenn jetzt der österreichische Ratsvorsitz dieses Thema ernst nimmt, allerdings ist das nur ein Mosaikstein.

Es gilt, dieses Thema aufzugreifen, aber die anderen nicht unter den Tisch fallen zu lassen – andere Themen wie die Körperschaftsteuer, andere Themen wie die öffentliche Berichterstattung von Konzernen sind genauso wichtig und machen das Bild komplett. Vor allem ist es ein Widerspruch, wenn sich die schwarz-blaue Regierung am Nachbarstaat Ungarn orientiert und sich am Wettbewerb darum beteiligt, wo die Multis die geringsten Steuern zu zahlen haben. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: Das ist so peinlich!)

Damit möchte ich zum Schluss kommen. Ich möchte an dieser Stelle an die erste Präsidentin des Europäischen Parlaments, an Simone Veil erinnern. Simone Veil war Auschwitzüberlebende und hat uns ihr Leben lang gezeigt, wie wichtig ein geeintes Europa ist. Europa ist es sich schuldig, ein Vorbild für Demokratie und die Achtung der Menschenrechte zu sein; das stand für Frau Veil fest.

Die Politik der FPÖ und der gesamten rechtsextremen ENF-Fraktionsteht in einem krassen Widerspruch dazu. Finden Sie ein Bekenntnis zu Europa mit einem derartigen Koalitionspartner glaubwürdig, Herr Bundeskanzler? Und sind Sie an der Seite Viktor Orbáns glaubwürdig, wenn es darum geht, echte, positive Zukunftsvisionen für Europa zu entwickeln? (Abg. Steger: Haben Sie das auswendig gelernt? Das hat schon der vorige Redner gesagt!)

In diesem Sinne: Wir sind uns einig, dass eine erfolgreiche österreichische Präsidentschaft hingelegt werden soll – dafür bitte auch immer die richtigen Partner im Auge behalten! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
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