Trotz Aufdeckungsskandalen steigen Steuerdeals mit Multikonzernen

 8. Dezember 2016

Die Mitgliedsstaaten haben noch immer nicht die Lehren aus den LuxLeaks-Enthüllungen gezogen

 

 

Am 5. November 2014 enthüllte eine Gruppe investigativer JournalistInnen geheime Steuerabmachungen von mehr als 340 multinationalen Konzernen in Luxemburg. Dieser LuxLeaks-Skandal brachte ans Tageslicht, was längst ein offenes Geheimnis war:

 

Immer mehr Unternehmen – von Amazon über Pepsi bis Ikea – zahlen weniger als 1% Steuern.

 

Der Aufschrei war groß. Im Europäischen Parlament haben wir auf die Enthüllungen mit der Einrichtung eines Lux Leaks Sonderausschusses reagiert. Die Ermittlungen zeigten, dass die Mitgliedsstaaten multinationale Konzerne ins Land lockten indem sie ihnen eine besonders geringe Steuerlast versprachen. Steuervorbescheide, die eigentlich der Rechtssicherheit von InvestorInnen dienen sollten, wurden für Steuerdumping zweckentfremdet. Das Ergebnis unserer Arbeit waren zwei umfassende Berichte und Forderungskataloge1. Der Spielball lag somit bei der Kommission und den Mitgliedsstaaten.

 

Zwei Jahre und drei weitere Leaks (Panama Papers, Bahamas Leaks und die letzte Woche veröffentlichten Football Leaks) später sehen wir, dass die Zahl an fragwürdigen Steuervorbescheiden mit multinationalen Konzernen weiter gestiegen ist.

 

Genauer gesagt um 50% seit den Lux Leaks Skandalen. Eine aktuelle Studie2 der NGO Eurodad (European Network on Debt and Development) zeigt, dass es in den EU-Staaten im Jahr 2015 sage und schreibe 1.444 fragwürdige Steuerabmachungen mit multinationalen Konzernen gab. „Spitzenreiter“ sind Belgien und – nach wie vor – Luxemburg.

 

Durch Steuertrickserei entgehen nicht nur unseren Schulen, Krankenhäusern und Sozialstaaten Gelder, sondern auch Entwicklungsländer sind davon betroffen. Es wird damit gerechnet, dass die Höhe der Entwicklungshilfe deckungsgleich ist mit der Höhe der Steuern die ihnen entgehen. Eurodad untersuchte auch die Steuerabkommen zwischen 18 EU-Staaten mit Entwicklungsländern. Insgesamt gibt es 752 Steuerabkommen, die die Steuereinnahmen der Entwicklungsländer im Schnitt um 3,8 Prozent senken. Allein in Österreich gibt es 41 derartiger Steuerabkommen.

 

Es ist absurd, dass auf der einen Seite Millionen Euro für Entwicklungshilfe ausgegeben wird, während den Ländern auf der anderen Seite das Geld durch Steuerabkommen wieder weggenommen und den Multis zugeschoben wird.

 

Ein paar gute Nachrichten gibt es dennoch. So können erste Fortschritte in Richtung Steuertransparenz verzeichnet werden. Die Mitgliedsstaaten bekennen sich endlich dazu, den wahren wirtschaftlichen Eigentümer hinter fragwürdigen Steuerkonstrukten (wie Briefkastenfirmen) offenzulegen. Es wird jedoch weiterhin abgelehnt, dass s multinationale Konzerne endlich offenlegen müssen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften und wo sie ihre Steuern zahlen (oder nicht). Insbesondere Österreich geht hier mit schlechtem Vorbild voran. Finanzminister Schelling meinte etwa auf die Forderung nach öffentlicher länderspezifischen Berichterstattung sinngemäß, dass man nicht überreagieren sollte:

 

“I think we should not overshoot in tackling these things out of the hysteria on Panama.”3

 

Im April 2016 wurde von der EU-Kommission ein entsprechender Gesetzesvorschlag zur Offenlegung von Ertragssteuerinformationen von Unternehmen vorgelegt. Als Berichterstatterin im Rechtsausschuss des EU-Parlaments werden ich mich für eine effektive länderweise Berichterstattung einsetzen – auch wenn die Mitgliedsstaaten uns hier Steine in den Weg legen.

 

Auch sonst gibt es in Österreich dringenden Handlungsbedarf. Seit 2015 haben wir zwar keine fragwürdigen Steuervorbescheide mit Multis mehr, sind aber dennoch noch immer ein beliebter Ort für Steuertrickser. Das Tax Justice Network erstellt regelmäßig ein Schattenfinanz-Ranking anhand Geheimhaltungspraktiken und Ausmaß der ausländischen Finanzbeteiligungen. Hier belegt Österreich – noch vor den Bahamas – Platz 24 (von insgesamt 92)4.

 

Die Daten zeigen wieder einmal schwarz auf weiß wie dringend notwendig nachhaltige Maßnahmen für Steuergerechtigkeit und Transparenz – auch in Österreich – sind. Die Benachteiligung von Beschäftigten und KMUs gegenüber den multinationalen Konzernen dürfen wir nicht mehr einfach hinnehmen. Die Forderungen für Steuergerechtigkeit liegen spätestens seit Lux Leaks am Tisch.

 

Bei jährlich entgangenen Steuereinnahmen von 1.000 Mrd. € müssen die Mitgliedsstaaten endlich ihre Blockadepolitik beenden und sich unseren Kampf anschließen, den Multis das Handwerk legen.

 

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Mehr Informationen:

 

 

Veweise:

 

1 Endbericht TAXE1-Sonderausschuss: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A8-2015-0317+0+DOC+XML+V0//DE
Endbericht TAXE2-Sonderausschuss: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A8-2016-0223+0+DOC+XML+V0//DE

 

2 http://eurodad.org/files/pdf/1546667-survival-of-the-richest.pdf

 

3 https://www.theguardian.com/world/2016/apr/23/tax-avoidance-eu-finance-ministers-approve-measures-netherlands

 

4 http://www.financialsecrecyindex.com/