Warum sind kaum Frauen in Leitungsgremien der Unternehmen? Warum ist es so schwer als Frau in den Vorstand oder Aufsichtsrat zu kommen? Ein unerklärbares Paradoxon?
Nein zurückzuführen auf „alte Strukturen“ und über Jahrzehnte entstandene Netzwerke, dominiert von Männern, die sich gegenseitig die Aufsichtsratsposten vermittelt haben. Das klingt zu feministisch, zu links? – Nein, selbst bekannt konservative ExpertInnen, männliche Aufsichtsratsmitglieder berichten dies inzwischen und sehen das Problem der Ohnmacht ohne Regeln etwas zu ändern. Männerbünde müssen durch transparente Besetzungsverfahren aufgebrochen werden, die „Jobvermittlung“ am Pokertisch und Freunderlwirtschaft muss damit beendet werden. Ein offenes, transparentes Besetzungsverfahren von Führungsposten bringt auch den Männern was – jene, die nicht in den „engen“ Kreis eingeladen wurden, aufgewachsen oder hineingeboren sind.
Die Gleichstellung der Geschlechter ist eines der Grundprinzipien der Europäischen Union – die Wirklichkeit ist beschämend: Weder bei der Entlohnung, noch bei Aufstiegsmöglichkeiten sind Frauen gleichberechtigt. Ausreden wie schlechtere Qualifizierung oder weniger Leistung sind lange von der Realität widerlegt – Frauen beweisen sich tagtäglich indem sie härter arbeiten, um das Gleiche zu erreichen wie ihr männliches Pendant, trotz der oft immer noch bestehenden Doppelbelastung.
Vor 100 Jahren bekamen die Frauen das Wahlrecht verliehen, also ist es längst überfällig, dass Frauen nun auch das Recht verliehen wird, die Wirtschaft mitzulenken.
Im November 2013 konnte ich als Chefverhandlerin den Bericht für mehr Geschlechtergerechtigkeit bei der Bestellung von Aufsichtsräten bei rund 5.000 Unternehmen in Europa im EU-Parlament zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Wir haben Branchenausnahmen abgeschafft und weitere, wie etwa eine Ausnahme für Familienunternehmen abgewehrt. Dadurch wären Unternehmen wie BMW oder Lego nicht abgedeckt. Unternehmen, die sich über den Finanzmarkt finanzieren lassen und mehr als 250 MitarbeiterInnen beschäftigen, können auch Qualitätskriterien umsetzen – jeder Aufschrei dagegen ist nicht nachvollziehbar.
Nun haben es die Mitgliedstaaten in der Hand. Deutschland hat im Dezember eine verpflichtende Quote von 30% in den Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen verabschiedet. Das Gesetz soll ab 2016 gelten. Dies kann als Umschwung Deutschlands gesehen werden. Daher setze ich darauf, dass Deutschland seine Blockadehaltung im Rat aufgibt und endlich der Weg frei wird für eine ausgewogenere Vertretung von Männern und Frauen in den Führungsetagen der Unternehmen. Die Hoffnungen liegen auf der nächsten Ratspräsidentschaft!