Frauen in Führungspositionen

 23. Juni 2022

Was ist bisher passiert?

Im Jahr 2012 schlug die Europäische Kommission eine Richtlinie vor, um die Ungleichheiten in der Gesetzgebung und die Unterrepräsentierung von Frauen in Aufsichtsräten auszugleichen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Auch das Europäische Parlament hat seine Version dieses Richtlinienvorschlages im Jahr 2013 bereits angenommen.

Aufgrund fehlender Mehrheiten  scheiterten mehrere Versuche im Rat eine Einigung zu erzielen, zum Beispiel von Malta im Jahr 2017 oder auch Luxemburg. Nach dem Regierungswechsel in Deutschland mit der Ampelkoalition versuchten wir es erneut und arbeiteten seit Dezember 2021 eng mit der französischen Ratspräsidentschaft zusammen, um eine Ratsmehrheit zu bekommen. Diese wurde im März 2022 erreicht. Nach intensiven Verhandlungen, konnten die Ko-Gesetzgeber, Europäisches Parlament und Rat, im Juni 2022 eine vorläufige Einigung über die Richtlinie erzielen.

Warum braucht es Quoten in der EU?

  • Die Vertretung von Frauen in Führungspositionen von Unternehmen verbessert sich, aber die Fortschritte sind nach wie vor gering und es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten.
  • Im Jahr 2021 waren rund 30 % der Aufsichtsratsmitglieder der größten börsennotierten Unternehmen in der EU Frauen. Seit 2016 hat sich das Tempo erheblich verlangsamt.
  • Frankreich ist nach wie vor der einzige Mitgliedstaat mit einem Anteil von mindestens 40 % beider Geschlechter in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen (Stand EIGE 2021). Italien (38,8 %) und die Niederlande (38,1 %) liegen nahe an dieser Marke. Auch in Schweden, Belgien, Deutschland, Finnland, Dänemark und Österreich machen Frauen mindestens ein Drittel der Vorstandsmitglieder aus.
    • In sieben Ländern sind jedoch immer noch weniger als ein Fünftel aller Aufsichtsratsmitglieder Frauen.
    • In etwa einem Fünftel der Unternehmen sind die Aufsichtsräte nach wie vor ausschließlich mit Männern besetzt, darunter mehr als die Hälfte der Unternehmen in Estland, Zypern und Ungarn.
  • Aus den Daten von EIGE aus dem Jahr 2021 geht hervor, dass derzeit in sieben Mitgliedstaaten nationale Geschlechterquoten (zwischen 25 und 40 %) in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen gelten: Frankreich, Italien, Belgien, Portugal, Deutschland, Österreich und Griechenland. Darüber hinaus haben das Unter- und das Oberhaus des niederländischen Parlaments im Jahr 2021 ein Gesetz zur Einführung einer Quote von 33 % verabschiedet, das im Januar 2022 in Kraft getreten ist.
  • Zehn Mitgliedstaaten haben einen weniger strengen Ansatz gewählt: Dänemark, Estland, Irland, Spanien, Luxemburg, Polen, Rumänien, Slowenien, Finnland und Schweden. Sie nutzen eine breite Palette von Maßnahmen und Initiativen mit unterschiedlichem Grad an Strenge und Spezifität.
    • In Spanien gibt es beispielsweise eine Gleichstellungsgesetzgebung, die empfiehlt, dass jedes Geschlecht zu mindestens 40 % in den Aufsichtsräten von Unternehmen vertreten sein sollte, aber nachdem es sich nur um eine Empfehlung und keine gesetzliche Verpflichtung handelt, ist sie nicht durchsetzbar.
    • In Slowenien gibt es eine gesetzliche Quote für staatliche Unternehmen, aber nicht für börsennotierte Unternehmen.
    • Andere Länder haben es vorgezogen, die Unternehmen zur Selbstregulierung zu ermutigen, um das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in den Führungsetagen auszugleichen (z. B. Dänemark und Irland).
  • Die übrigen neun Mitgliedstaaten (Bulgarien, Tschechien, Kroatien, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta und die Slowakei) haben keine wesentlichen Maßnahmen
  • Diese Daten zeigen uns vor allem eines: Gesetzliche Maßnahmen zur Beseitigung des Ungleichgewichts zwischen den Geschlechtern in wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen treiben den Fortschritt voran:
    • Im Oktober 2021 lag der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der größten börsennotierten Unternehmen in Ländern mit nationalen Geschlechterquoten bei 36,4 %, verglichen mit 30,3 % in Ländern mit weniger strengen Maßnahmen und nur 16,6 % in Ländern, die überhaupt keine Maßnahmen ergriffen haben. Durch Quoten hat sich die Veränderungsrate von 0,8 auf 2,9 Prozentpunkte pro Jahr mehr als verdreifacht. Der Fortschritt in Ländern ohne gesetzliche Maßnahmen (d.h. mit weichen Maßnahmen oder ohne Maßnahmen) liegt bei nur 0,7 Prozentpunkten pro Jahr.
  • In der EU ist immer noch weniger als eine_r von zehn Vorstandsvorsitzenden und Generaldirektor_innen weiblich (8,5 % bzw. 7,8 % im Oktober 2021). Darüber hinaus stellen Frauen ein Drittel (33,3 %) der nichtleitenden Angestellten, aber nur etwa ein Fünftel (20,2 %) der leitenden Angestellten. Dies hat zur Folge, dass auch bei den Führungskräften nur langsam Fortschritte in Richtung Geschlechterparität gemacht werden und nur sehr wenige Frauen in großen Unternehmen Spitzenpositionen erreichen (1,0 Prozentpunkte pro Jahr gegenüber 1,5 Prozentpunkten pro Jahr bei den nichtleitenden Angestellten seit 2016).
  • Es ist weithin anerkannt, dass die Präsenz von Frauen in den Führungsetagen die Corporate Governance verbessert, da die Teamleistung und die Qualität der Entscheidungsfindung durch eine vielfältigere und kollektive Denkweise, die ein breiteres Spektrum an Perspektiven einbezieht, verbessert werden.

Inhalt der Richtlinie

 

Hauptpunkte:

 

  • Im Mittelpunkt der Richtlinie steht das Verfahren zur Auswahl von Aufsichtsratsmitgliedern und auch Vorständen. Dies ist das wichtigste Mittel zur Erreichung des Ziels eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses, da es den Rahmen überhaupt erst schafft, dass das Geschlechterverhältnis in den bestehenden Gremien in den Blickwinkel rückt. Wenn schon das Auswahlverfahren fehlerhaft ist, kommen die Bestqualifizierten gar nicht erst in die engere Wahl – zum Nachteil sowohl des Unternehmens als auch der Kandidat_innen. Deshalb setzt die Richtlinie auf Transparenz und Leistung im Auswahlverfahren.
  • Sobald die gleiche Qualifikation festgestellt ist, muss der_die Kandidat_in des unterrepräsentierten Geschlechts ausgewählt werden, um die Zielvorgabe von 40 % der Aufsichtsräte bzw. 33 % Aufsichtsräte und Vorstände zusammen zu erreichen. Diese „positive Maßnahme“ fällt unter Artikel 157 (4) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
  • Dieses Ziel von 40 % bzw. 33 % muss bis zum 30. Juni 2026 erreicht werden.
  • Das Verständnis der Richtlinie ist klar: mehr Frauen in Entscheidungspositionen ist nur eine von vielen Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz zu erreichen. Nichtsdestotrotz ist sie ein wichtiges Teil des Puzzles.

 

Errungenschaften des EU-Parlaments:

 

  • Für das Europäischen Parlament sind Evelyn Regner (S&D, AT) und Lara Wolters (S&D, NL) die Hauptverhandlerinnen. Als solche konnte in enger Zusammenarbeit mit den anderen politischen Fraktionen und der französischen Ratspräsidentschaft einiges erreicht werden.
  • Im ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission war eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Richtlinie vorgesehen für Unternehmen, die weniger als 10% Beschäftigte eines Geschlechtes haben. Das hätte bedeutet, dass jene mit einem massiven Ungleichgewicht bei den Beschäftigten, auch in der Führungsebene nichts machen hätten müssen. Dieser Aspekt der horizontalen Segregation war ein wichtiger Aspekt, den das EU-Parlament streichen Diese Ausnahme ist in der finalen Version somit nicht mehr enthalten und ist ein wichtiger Punkt für Geschlechtergerechtigkeit in allen Branchen.
  • Der Rat bestand lange Zeit auf eine offene und zeitlich unbeschränkte Aussetzungsklausel. Aber auch hier konnte sich das EU-Parlament insofern durchsetzen, als es nur noch zwei sehr konkret formulierte Ausnahmen gibt und insbesondere jene, die auf faktische Zahlen abstellt, von der Kommission nicht nur regelmäßig zu beobachten ist, sondern bei einer Überarbeitung der Richtlinie auch zu streichen wäre. Gleichzeitig wird das System der tatsächlichen Quoten auf nationaler Ebene geschützt und gestärkt.
  • Das Auswahlverfahren ist nicht nur Kern der Richtlinie, sondern das gesamte Verfahren wurde auf Bestreben des EU-Parlaments nochmal erheblich klarer und vor allem transparenter formuliert, – von der Ausschreibung über Shortlists bis hin zur Entscheidung.
  • Dank der starken Verhandlungen wurde auch das Zieldatum zum Erreichen der Ziele deutlich früher angesetzt als vom Rat ursprünglich geplant. Es bleibt genug Zeit für Unternehmen ihre Strukturen anzupassen, aber gleichzeitig müssen wir nicht noch weitere 10 Jahre warten, bis die Ziele erreicht werden müssen.
  • Von den Mitgliedsstaaten lange und vehement abgelehnt, gibt es nach intensiven Verhandlungen nun doch Sanktionen in der Richtlinie. Wie diese genau aussehen, wird den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung überlassen. Wichtig ist aber, dass es in der Richtlinie den konkreten Rahmen und die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten gibt, bei Nichterfüllung der Ziele der Richtlinie Sanktionen gegenüber Unternehmen zu verhängen.
  • Ein Teil der Maßnahmen, die das EU-Parlament ergänzen konnte, betrifft die verstärkte und öfter stattfindende Berichtspflicht der Unternehmen und auch Mitgliedsstaaten. Hier ist der Vorschlag einer sogenannten „faming“ Liste hervorzuheben, die auf Initiative des EU-Parlaments nun enthalten ist. Diese Liste hebt auf Ebene der Mitgliedsstaaten hervor, welche Unternehmen die vorgegebenen Ziele schon erreicht haben. Dadurch ist natürlich umgekehrt sehr schnell nachvollziehbar, welche Unternehmen dies andererseits noch nicht geschafft haben.

 

Details zum Inhalt der Richtlinie:

  • Der Anwendungsbereich bezieht sich auf alle börsennotierten Unternehmen, ob öffentlich oder privat, und das anwendbare Recht ist das des eingetragenen Sitzes. KMUs sind eindeutig ausgenommen.
    • Bei einer Überarbeitung der Richtlinie besteht eine wichtige Forderung an die Kommission darin, den Anwendungsbereich auf alle großen Unternehmen auszuweiten, unabhängig davon, ob sie börsennotiert sind oder nicht.
    • Gegenwärtig würde die Richtlinie etwa 5.000 Unternehmen in der Europäischen Union betreffen.
  • Die Richtlinie enthält zwei klare Zielvorgaben für die gesamte Europäische Union: bis zum 30. Juni 2026 soll ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis von mindestens 40 % Aufsichtsräte oder 33 % Aufsichtsräte und Vorstande zusammen erreicht werden. Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die in den Anwendungsbereich fallenden Unternehmen diese Ziele erfüllen.
    • Darüber hinaus müssen Unternehmen, die unter die Zielvorgabe von 40 % für Aufsichtsräte fallen, auch individuelle quantitative Ziele, d. h. interne Zielvorgaben, für Vorstände festlegen. Diese müssen sie ebenfalls bis zum 30. Juni 2026 erreichen.
  • Die Mittel zur Erreichung dieser Ziele sind insbesondere transparente, faire und klare Auswahlverfahren. Sobald die gleiche Qualifikation festgestellt ist, muss die Entscheidung das bestehende Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern berücksichtigen. Das bedeutet, dass, wenn es eine_n qualifizierte_n Kandidatin_en des unterrepräsentierten Geschlechts gibt, diese_r gewählt werden muss.
    • Nur in Ausnahmefällenkann das Gleichgewicht zugunsten einer_s anderen Bewerberin_s gekippt werden, wenn z. B. andere umfassendere und gesetzlich Maßnahmen zur Förderung der Vielfalt den Geschlechteraspekt im Einzelfall überwiegen. Diese auf der Rechtsprechung beruhende Ausnahme von der Ausnahme muss jedoch durch objektive Kriterien, die auf keinen Fall das unterrepräsentierte Geschlecht diskriminieren dürfen, hinreichend begründet werden.
    • Während des gesamten Auswahlverfahrens, einschließlich der Erstellung von Stellenausschreibungen, der Vorauswahl oder der Bildung von Auswahlpools oder Shortlists, müssen klare, neutral formulierte und eindeutige, im Voraus festgelegte Kriterien angewendet werden.
    • Im Falle eines Abstimmungsverfahrens durch Aktionär_innen, Beschäftigte oder auf andere Weise müssen die Wählenden vor der Abstimmung ordnungsgemäß über den Inhalt und die Verpflichtungen dieser Richtlinie informiert werden.
  • Falls sich ein_e nicht ausgewählte_r Kandidat_in durch das Verfahren benachteiligt fühlt, müssen die Unternehmen diese_n über die Qualifikationskriterien, die darauf basierende objektive vergleichende Bewertung und gegebenenfalls über die ausschlaggebenden Erwägungen informieren.
    • Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass diese Bewerber_innen, je nach ihrem nationalen Rechtssystem, vor einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde das Verfahren anfechten können. Werden Tatsachen vorgetragen, die eine gleiche Qualifikation vermuten lassen, muss das Unternehmen beweisen, dass die Regeln für ein faires Auswahlverfahren nicht verletzt wurden. Diese Beweislastumkehr bei prima facie soll auch im Überprüfungsverfahren sicherstellen, dass Bewerber_innen faire Chancen haben.
  • Einmal im Jahr muss jedes Unternehmen der zuständigen nationalen Behörde Informationen über die Repräsentation von Frauen und Männern in ihren Leitungsorganen vorlegen, wobei zwischen nicht geschäftsführenden und Führungskräften zu unterscheiden ist, sowie über die Maßnahmen, die zur Erreichung der Zielvorgaben ergriffen wurden.
    • Diese Informationen müssen auch auf der Website des Unternehmens veröffentlicht werden.
    • Wenn das Unternehmen die Ziele nicht erreicht, muss es die Gründe dafür erläutern und eine umfassende Beschreibung der Maßnahmen geben, die es ergriffen hat oder zu ergreifen gedenkt, um die Ziele zu erreichen.
  • Im Rahmen der Berichterstattung müssen die Mitgliedstaaten eine Liste der Unternehmen veröffentlichen, die das Ziel von 40 % Aufsichtsräte bzw. 33 % geschäftsführender und nicht geschäftsführender Mitglieder erreicht haben. Diese „Faming-Liste“ soll als gutes Beispiel dienen und die Unternehmen unterstützen, die tatsächlich die erforderlichen Schritte unternommen haben.
  • Die Mitgliedstaaten müssen wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen gegen Unternehmen verhängen, die gegen die Verpflichtung zu individuellen quantitativen Zielen, Auswahlverfahren und/oder Berichterstattung verstoßen.
    • Solche Sanktionen können Geldstrafen oder die gerichtliche Nichtigerklärung der im Widerspruch zu den nationalen Vorschriften getroffenen Auswahl von Mitgliedern der Unternehmensleitung umfassen.
    • Die Mitgliedstaaten müssen auch dafür sorgen, dass die Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen die geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen im Einklang mit den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften einhalten.
  • Eine Ausnahme von der Anwendung der Richtlinie ist in Artikel 8a vorgesehen. In zwei klar festgelegten Fällen müssen die Mitgliedstaaten die Regeln für das Auswahlverfahren nicht anwenden, keine Berichte vorlegen und die Unternehmen müssen keine individuellen Ziele festlegen, wenn zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Richtlinie einer der folgenden Gründe erfüllt ist:
    • (1) de facto Zielerreichung: bereits erreichter Anteil von 30 % Aufsichtsratsmitglieder oder 25 % nicht geschäftsführender Mitglieder und geschäftsführender Mitglieder zusammen

oder

(2) de iure Zielerreichung: nationale Quotenvorschriften.

  • Punkt 1 bezieht sich auf die Länder, die bereits ein Mindestniveau in den der Richtlinie unterliegenden Unternehmen erreicht haben. Diese müssen jedoch weiterhin Bericht erstatten, ob noch weitere Fortschritte gemacht werden. Dies wird von der Kommission bei der Überarbeitung der Richtlinie berücksichtigt werden.
  • Punkt 2 bezieht sich auf das System der Quoten. Im Gegensatz zu den Zielen dieser Richtlinie sind die Quoten ein Minimum und müssen ebenfalls mindestens 30 % der Aufsichtsräte oder mindestens 25 % der Gesamtzahl aller nicht geschäftsführenden und geschäftsführenden Mitglieder betragen. Darüber hinaus muss das nationale Gesetz strenge Durchsetzungsmaßnahmen ähnlich der in der Richtlinie festgelegten Sanktionen und individuelle quantitative Ziele festlegen. Wenn diese nationalen Gesetze eine strengere Berichterstattung vorschreiben als die Richtlinie, kann auch die Berichterstattung ausgesetzt werden.
  • Ändert sich die Situation de facto oder de iure, muss der Mitgliedstaat die Anwendung der gesamten Richtlinie wiederaufnehmen ansonsten droht ein Verfahren durch die EU-Kommission wegen Nicht- bzw. nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der Richtlinie.
  • In den Mitgliedstaaten muss mindestens eine Behörde, möglicherweise die Gleichbehandlungsanwaltschaft, für die Förderung, Analyse, Überwachung und Unterstützung der ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern in den Vorständen börsennotierter Unternehmen benannt werden. Auf europäischer Ebene ist die Kommission dafür zuständig, die ordnungsgemäße Umsetzung zu überprüfen.
  • Die Kommission muss auf der Grundlage ihrer regelmäßigen Berichte und Überprüfung auch beurteilen, ob und wie die Richtlinie geändert werden muss, z. B. durch eine Verlängerung der Geltungsdauer (derzeit bis zum 31. Dezember 2038), durch eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf alle großen Unternehmen – auch nicht börsennotierte – oder durch eine Überarbeitung der De-facto-Ausnahme der Aussetzungsklausel.

 

Was noch zu tun ist:

Diese Richtlinie öffnet eine Tür. Eine Tür zu besseren Unternehmen, in denen die Auswahl der Entscheidungsträger_innen auf der Grundlage von Kompetenz und Transparenz erfolgt und in denen die toxischen Merkmale der internen Unternehmenskultur auch top-down angegangen werden können.

Klar ist allerdings, dass damit nur die erste und bereits sehr schwere Tür zu diesen wichtigen Fragen geöffnet wurde. Das bedeutet, dass noch mehr getan werden muss, um wirklich einen Arbeitsplatz ohne Diskriminierung und Unternehmensvorstände mit ausgewogenem Geschlechterverhältnis zu erreichen. Doch wir können auf diesen ersten symbolischen „Fuß in der Türe“ mit der Richtlinie zu Frauen in Führungspositionen bereits jetzt stolz sein.