Oktober 2015
Die Europäische „Ich – AG“ (SUP)
Zusammenfassung:
Durch die EU-weite Einführung einer Ein-Personen-Gesellschaft soll die Gründung von Unternehmen in anderen EU-Mitgliedsstaaten vereinfacht werden. Besonders Klein- und Mittelunternehmen (KMUs) sowie Tochtergesellschaften sollen von der erleichterten grenzüberschreitenden Unternehmensgründung profitieren – dem ist allerdings nicht so. Der Vorschlag enthält weder die Eingrenzung des Geltungsbereichs auf KMUs noch auf Voraussetzungen einer grenzüberschreitenden Unternehmensgründung.
Mit einer europäischen ‘Ich-AG’ würden durch die Möglichkeit der Sitzaufspaltung Tür und Tor geöffnet für Scheinselbstständigkeit und die Umgehung von Mindeststandards beim ArbeitnehmerInnenschutz. Lohn- und Sozialdumping sind dabei vorprogrammiert. Diese erleichtert die Errichtung von Briefkastenfirmen – die Förderung von Scheinselbstständigkeit und verstärkte Umgehung von ArbeitnehmerInnen-Beteiligungen zählen zu einigen der absehbaren Negativfolgen.
Hintergrund:
Societas Unius Personae (SUP) entspricht in vielen Punkten, dem bereits 2006 von der Europäischen Kommission unterbreiteten Vorschlag einer europäischen Privatgesellschaft (SEP). Das Europäische Parlament allerdings sprach sich schon damals gegen die Umsetzung einer SEP aus, woraufhin die Europäische Kommission den vorgebrachten Vorschlag zurückzog. Mit dem Vorschlag der SUP soll vor allem eine Verbesserung auf europäischer Ebene für Klein- und Mittelbetrieben erreicht werden. Aufgrund unzureichender Richtlinien ist, (in der momentanen Fassung), weder eine grenzüberschreitende Unternehmensgründung vorausgesetzt noch eine Einschränkung auf KMUs festgeschrieben. Der Mangel an konkreten Richtlinien erlaubt Unternehmen jeglicher Art die uneingeschränkte Untergrabung nationaler Gesetze. Die Errichtung von Briefkastenfirmen, verstärkte Scheinselbstständigkeit und Steuerkriminalität sind nur einige der Negativkonsequenzen, die der SUP-Vorschlag mit sich bringt.
Was sind die Hauptkritikpunkte der europäischen „Ich-AG“?
- Hauptkritikpunkt ist die im aktuellen Vorschlag enthaltene Möglichkeit zur Aufspaltung von Satzungs- und Verwaltungssitz des Unternehmens: Für die Einpersonengesellschaft gelten die Gesetze jenes Mitgliedstaates, wo sie registriert ist – unabhängig davon, wo das Unternehmen tätig wird. Dadurch droht die Aushebelung von hohen Schutzstandards einiger Mitgliedstaaten.
- Fehlende Formvorschriften und führt zu Intransparenz: Die formelle Gründung (in österr. Recht durch Notariatspflicht) entfällt bei SUPs vollkommen – Eine europäische „Ich-AG“ soll innerhalb von drei Werktagen formlos und elektronisch gegründet werden können. Fehlende Identitätsprüfung der Geschäftspartner als auch weitgehend lose Kontrolle fördert unseriöse Geschäftemacherei. Problematisch ist dies auch für die Durchsetzung des GläubigerInnen-Schutzes bei Insolvenzfällen. ArbeitnehmerInnen verlieren durch diese undurchsichtige Unternehmensform sämtliche Rechtsmöglichkeit Ihre Ansprüche einzuklagen. Das ist ein Einfallstor für Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und andere kriminelle Aktivitäten. Briefkastenfirmen würde wie Pilze aus dem Boden sprießen
- Unzureichendes Mindestkapital und keine Verpflichtung zur Bildung von Rücklagen: ein angemessenes Stammkapital trägt Interessen von Gläubigern, KonsumentInnen und ArbeitnehmerInnen Rechnung
- Stakeholder- Interessen werden ignoriertBei bisherigen Beratungen im Vorfeld wurden lediglich Vertreter von Wirtschaft und Arbeitgebern einbezogen, Vertreter der Gewerkschaften als fundamentaler Teil der Sozialpartnerschaft waren nicht eingeladen.
Kommentar:
Ich trete seit Jahren für eine transparentere Unternehmenskultur durch entsprechende Corporate Governance/Regulierungen ein. Eine SUP stärkt allerdings in ganz klar intransparente Handlungen auf Unternehmerseite und darf nicht geduldet werden.
Die Einführung einer europäischen Ich-AG fördert nicht nur Steuertricksereien und Unternehmerkriminalität sondern untergräbt regelrecht Arbeitnehmerrechte anstatt diese zu stärken.
Als Gewerkschafterin und Sozialdemokratin sehe ich in diesem Vorschlag der Kommission ein trojanisches Pferd, das Intransparenz fördert und ArbeitnehmerInnenmitbestimmung massiv zu schwächen droht. Deswegen lehne ich diesen Vorschlag einer Europäischen „Ich-AG“ klar ab!
Nein zu Scheinselbstständigkeit, Nein zu Intransparenz, Nein zur Schwächung von EU-ArbeitnehmerInnen-Rechten!