Die neue Kommission – eine erste Bewertung

 19. September 2014

Vergangene Woche hat der designierte EU-Kommissionspräsident Juncker das neue Kollegium vorgestellt, sprich: 27 neue KommissarInnen vorgeschlagen. Zwar sorgen einige vorgeschlagene Kommissare für (berechtigte) Kritik, im Zentrum des Interesses steht aber auch die neue Struktur.

 

Neue Struktur

 

Jean Claude Juncker hat sich der Herausforderung gestellt und die Kommission – ein lange eingespieltes Werkl – stark umgebaut: So gibt es sieben Vize-PräsidentInnen, die jeweils die „Oberaufsicht“ für mehrere Ressorts haben. Außerdem wird dem ersten Vize-Präsidenten, hier wurde Frans Timmermans (NL) vorgeschlagen, eine besonders starke Position als „Junckers rechte Hand“ eingeräumt.

 

Das letzte Wort

 

Die einzelnen KandidatInnen müssen sich im Europäischen Parlament vor den jeweiligen Ausschüssen einer Anhörung unterziehen (zwischen 29.9. und 6.10.). In diesen Hearings werden wir Abgeordnete die neuen KommissarInnen sozusagen auf Herz und Nieren prüfen: Sowohl die fachliche Eignung, aber vor allem die politische Richtung, die die KandidatInnen einschlagen möchten, werden von uns genau beleuchtet werden. Schließlich hat das Europäische Parlament das Recht, die Kommission zu bestätigen oder aber abzulehnen. Einzelne KommissarInnen können zwar nicht in dem Sinne abgelehnt werden, der Druck auf den Kommissionspräsidenten kann aber sehr wohl derart aufgebaut werden, dass es zu neuen Vorschlägen für einzelne Kommissarsposten kommen kann.

 

Lob und Tadel

Die moderne Struktur, die Juncker aufgestellt hat, bewerte ich durchaus positiv. Sie muss sich allerdings in der Praxis erst bewähren. Bedauerlicherweise stellt erstmals seit langem nicht die Sozialdemokratie den/die Beschäftigungs- und Sozialkommissar/in. Für dieses Ressort wurde Marianne Thyssen (BE, EVP) vorgeschlagen. Als Christlich-Soziale hat sie allerdings durchaus eine Nähe zu Gewerkschaften und ist innerhalb der EVP wohl noch die beste Wahl. Thyssen selbst hat in der Vergangenheit ein Bekenntnis zur Sozialunion abgegeben – das lässt hoffen und wird sicher ein zentraler Punkt bei ihrer Anhörung im Parlament.
Andere – eher negative – Beispiele sind etwa der ungarische Kandidat für das Bildungs- und Kulturressort, Tibor Navracsics. Dieser Órban-getreue Politiker ist unter anderem dadurch aufgefallen, dass er das umstrittene Mediengesetz in Ungarn maßgeblich mitgestaltet hat.
Auch die Besetzung des Finanzkommissars sorgt bei vielen für Kopfschütteln, ist doch Lord Jonathan Hill ein britischer Konservativer und ausgerechnet dieser Herr soll mehr oder weniger gegen die Interessen der City of London agieren (oder zumindest unabhängig davon).

 

Wo sind die Frauen?

Ganze neun Frauen haben es derzeit in das neue Kollegium geschafft. Das ist das absolute Minimum, das von Seiten des Parlaments eingefordert wurde. Ich finde es sehr schade, dass Herr Juncker nicht mehr Kandidatinnen berufen hat. Die Schuld liegt allerdings weniger bei Juncker selbst als bei den Mitgliedstaaten, die ja jeweils eine/n Kandidaten/in vorschlagen. Zukünftig brauchen wir festgelegte Mechanismen bei der Nennung der KommissarskandidatInnen, um zu einem gerechten Anteil von Frauen und Männern zu kommen.