Die lettische Ratspräsidentschaft

 16. Januar 2015

Mit 1. Jänner hat Lettland den sechsmonatigen Vorsitz im Rat der EU übernommen und ist nach Litauen (2014) somit das zweite Land aus dem Baltikum in dieser Position. Diese Woche hat Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma das Arbeitsprogramm für das nächste Halbjahr vorgestellt. Einige Punkte sind allerdings mit Vorsicht zu genießen.

 

Ganz oben auf der Agenda steht die konkrete Ausarbeitung des „junckerschen“ Investitionsplans. Dabei ist es meiner Ansicht nach besonders wichtig, in Projekte zu investieren, die sofort und nachhaltig beschäftigungswirksam sind. Dazu zählen etwa Gebäudesanierungen, der soziale Wohnbau oder Investitionen in den Sozialbereich. Es wäre eine vergebene Chance, wenn ein großer Teil des €315-Milliarden-Pakets „nur“ in Straßen investiert werden würde.

 

Ministerpräsidentin Straujuma hat im Straßburger Plenum auch klargemacht, dass sie die Verhandlungen über die Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) vorantreiben möchte. Meine Bedenken zu diesen Abkommen sind groß, insbesondere solange die umstrittenen Investorenschutzklauseln nicht ausgenommen und die Umwelt- und Sozialstandards auf beiden Seiten nicht garantiert werden.

 

In puncto Datenschutz sehe ich durch die lettische Ratspräsidentschaft einerseits eine große Chance. Denn Lettland möchte dringend die Blockade im Rat zur Datenschutzgrundverordnung, die im März 2014 im EU-Parlament verabschiedet wurde, überwinden. Das wäre sicherlich ein großer und wichtiger Erfolg. Andererseits wird angesichts der Terrorattacken in Paris gerade wieder über das PNR-Abkommen diskutiert. Dabei handelt es sich um den Austausch von Fluggastdaten, dem ich sehr kritisch gegenüberstehe. Für mich widerspricht es dem Schutz unserer Grundrechte (insbesondere Artikel 8 der EU-Grundrechte-Charta) und ich bin der Meinung, dass man gerade hier der Angst nicht nachgeben darf.

 

Weitere Prioritäten sind die Gründung einer Energie-Union, die Bildung der Grundlagen für ein „wirklich digitales“ Europa (siehe auch Datenschutz), die Stärkung des EU-Binnenmarktes und die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.

 

Was aus meiner Sicht fehlt, sind die sozialen Komponenten des Programms. Nach den Jahren der rigiden Sparpolitik muss nun endlich der Fokus darauf gelegt werden, Jobs zu schaffen – und zwar mit guten Arbeitsbedingungen und fairer Bezahlung. Die Jugendlichen in Europa brauchen wieder Perspektiven, daher braucht es größere Anstrengungen in (Aus-)Bildungspolitik und eine raschere Umsetzung der europäischen Jugendgarantie. Bekämpfung von Armut, insbesondere Kinderarmut, muss ebenfalls eine Priorität sein. Diese Liste ließe sich noch leicht fortführen.

 

Ein letzter Punkt, der mir sehr wichtig ist, ist die Gleichstellung von Frauen und Männern. Ich erwarte mir von der lettischen Präsidentschaft, dass auch die Blockade im Rat zur geschlechtergerechten Besetzung von Unternehmensvorständen aufgehoben wird. Auch hier hat das EU-Parlament schon lange seinen Teil der Gesetzgebung vorgebracht. Die nationalen Regierungen im Rat müssen nun das ihre tun.