Reformen unter der neuen nationalkonservativen polnischen Regierung (PiS), wie das neue Mediengesetz und die Justizreform, haben dazu geführt, dass die EU-Kommission letzte Woche ein offizielles Verfahren gegen Polen eingeleitet hat. Bei den Reformen handelt es sich um die Umstrukturierung des Verfassungsgerichts und der öffentlich-rechtlichen Medien. Als erster Schritt wurden sowohl fünf Verfassungsrichter als auch die Vorstände des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks ausgetauscht und der Regierung nahe stehende Personen für diese Funktionen bestimmt. In Zukunft soll ihre Wahl unter stärkerem Einfluss der Regierung stehen. Dies alles ermöglichen die neuen Gesetzesänderungen.
Für uns Sozialdemokraten ist es wichtig, dass der Dialog mit Polen nicht unterbrochen wird. Daher wurde auch auf Initiative meiner Fraktion die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo ins Plenum eingeladen, um sich zu den umstrittenen Reformen zu äußern. Die Ministerpräsidentin hoffte auf die Unterstützung der polnischen EU-Abgeordneten, was ihr aber verwehrt wurde. Mit dem Verweis auf „Freiheit und Souveränität“ eines jeden EU-Mitgliedslandes blieb sie bei ihrer Position und verteidigte die Gesetzesänderungen in ihrem Land. Polen würde die Reformen trotz EU-Kritik durchziehen – ohne jegliche Abstriche.
Jedes EU-Beitrittsland muss drei Voraussetzungen – politische, wirtschaftliche und das Acquis-Kriterium (Umsetzung des EU-Rechts) – erfüllen, ehe das Land der Europäischen Union beitreten kann. Zu den politischen Voraussetzungen zählt auch die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung. Seit 2014 hat die Europäische Kommission die Möglichkeit, bei Mitgliedstaaten den so genannten „Rechtsstaatlichkeitsmechanismus“ durchzuführen und zu prüfen, ob dieses Kriterium weiterhin erfüllt wird. Im Falle von Polen wird nun analysiert, ob die neuen Gesetze mit europäischen Werten und Rechtsstaatlichkeit vereinbar sind.