China – eine Marktwirtschaft?

 20. Mai 2016

Es ist ein Thema, das in der europäischen Stahlindustrie seit einigen Monaten hohe Wellen schlägt – die mögliche Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft. Tausende europäische ArbeiterInnen hatten bereits im Frühjahr lautstark protestiert, bereits 60.000 EU-Arbeitsplätze sind in den letzten Jahren wegen unfairen Praktiken, insbesondere von China im Stahlsektor verloren gegangen. Diese Bedrohung für den europäischen Stahlsektor und die Überkapazitäten, die China produziert, könnten in der EU weitere erhebliche soziale Auswirkungen haben.

 

Im Rahmen der Mai-Plenarsitzung in Straßburg letzte Woche, gab es anlässlich der mit Ende des Jahres anstehenden Entscheidung der Welthandelsorganisation ob China besagten Marktwirtschaftsstatus erhalten soll, sowohl Aussprache als auch Abstimmung über die Positionierung des Europäischen Parlaments. Das Ergebnis: Die letzten Donnerstag angenommene Resolution spricht sich klar gegen die verfrühte Zuerkennung des Marktwirtschafts-Status Chinas aus.

 

Zum heutigen Zeitpunkt erfüllt China die von der EU aufgestellten fünf Kriterien, die China als Marktwirtschaft definieren würden, nicht. Gefahr geht vor allem von der Produktion von Überkapazitäten von chinesischem Billigstahl aus, mit dem der europäische Markt überschwemmt wird. Die europäische Industrie ebenso wie die ArbeitnehmerInnen fürchten, dass gleichzeitig der durch unfaire Wettbewerbspraktiken entstehende Druck, Sozial- und Lohndumping fördern und Standards im EU-ArbeitnehmerInnenschutz unterminieren könnte.

 

Das gilt es klar zu verhindern!

 

Wir SozialdemokratInnen setzen uns tagtäglich für stärkere Kontrolle ein und arbeiten an der Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping auf europäischer Ebene. Eine Anerkennung eines offensichtlich nicht marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems, das seine ArbeiterInnen ausbeutet, würde genau das Gegenteil vermitteln und ohne die gleichzeitige Einführung von Anti-Dumpingmaßnahmen die europäische Stahlindustrie komplett zerstören.

 

Die Proteste der Gewerkschaften und ArbeiterInnen sind deutliche Warnsignale, den Marktwirtschaftsstatus vorerst nicht anzuerkennen – die Kommission muss dafür Sorge tragen, dass dies auch von der Welthandelsorganisation so verstanden wird. Die fraktionsübergreifend angenommene Resolution des Europäischen Parlaments in Straßburg ist der Auftrag an die Kommission, sich klar dafür einzusetzen. China darf künftig nicht nach WTO-Standardmethoden seine Produkte in die EU einführen dürfen, alleine jetzt schon zielen 56 von 73 Anti-Dumping-Maßnahmen der EU auf China ab. Mit großer Mehrheit fordert das EU-Parlament außerdem die Überarbeitung der Anti-Dumping-Möglichkeiten, die vom Ministerrat blockiert wird.

 

Die Frage ob China als Marktwirtschaft anerkannt werden soll, ist für mich als sozialdemokratische Gewerkschafterin momentan klar zu verneinen: Solange Dumpingpraktik als Wettbewerbsmotor betrieben wird, darf Chinas nicht als „normaler“Handelspartner gesehen werden. Sollte die EU-Kommission wider Erwarten den Marktwirtschaftsstatus anerkennen, hat das EU-Parlament noch ein Wörtchen mitzureden: In Mitentscheidung beschließt das EU-Parlament über den künftigen Vorschlag.

 

Links:

 

http://wirtschaftsblatt.at/home/meinung/gastkommentare/4935923/Eine-Lanze-fur-die-europaeische-Stahlindustrie

 

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P8-TA-2016-0223+0+DOC+PDF+V0//DE