Anfrage an die Kommission:
Die italienische Regierung hat kürzlich eine Pauschalsteuer für vermögende Einzelpersonen eingeführt, die ihren steuerlichen Wohnsitz nach Italien verlegen. Im Rahmen dieser neuen vorteilhaften Regelung profitieren Einzelpersonen, die ihren steuerlichen Wohnsitz in den vergangenen zehn Jahren mindestens neun Jahre lang nicht in Italien hatten und nun dorthin ziehen, von einem pauschalen Steuerbetrag in Höhe von 100 000 EUR auf sämtliche im Ausland erzielten Einkünfte. Darüber hinaus kann die Maßnahme auf nahe Familienangehörige ausgeweitet werden (25 000 EUR pro Familienangehörige/r). Mit der Maßnahme sollen Investitionen in Italien angekurbelt werden, indem wohlhabende Einzelpersonen in das Land gelockt werden.
In Anbetracht folgender Umstände:
- Die Maßnahme ist darauf ausgerichtet, wohlhabende Einzelpersonen aus dem Ausland nach Italien zu locken, um die Steuereinnahmen des Landes zu erhöhen; das geht zulasten der Steuereinnahmen anderer Länder, darunter auch Mitgliedstaaten.
- Die wohlhabenden Einzelpersonen würden die Steuern auf der Grundlage ihrer Einkünfte im Ausland zahlen und Nutzen aus der Pauschalbesteuerung ziehen; das bedeutet, sie würden gegenüber normalen Arbeitnehmern und Einzelpersonen, die ihren steuerlichen Wohnsitz bereits in Italien haben, bevorzugt behandelt werden.
Erachtet die Kommission diese Besteuerungspraxis als schädlich?
Kann die Maßnahme von Einzelpersonen dazu genutzt werden, um Steuern zu umgehen?
Steht die Maßnahme im Einklang mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in Steuerfragen sowie mit den Anstrengungen der Organe der EU, Schlupflöcher zu schließen und Maßnahmen zu unterbinden, die es Einzelpersonen mit hohem Einkommen ermöglichen, die Zahlung eines fairen Anteils an Steuern zu umgehen?
Antwort der Kommission:
Schädliche steuerliche Maßnahmen in der EU werden gemäß den Regeln des Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung (im Folgenden „Kodex“) behandelt. Der Kodex bezieht sich auf Maßnahmen der Unternehmensbesteuerung, die sich auf die Standortwahl von Unternehmen in der EU auswirken. Die genannte nationale Maßnahme scheint die Besteuerung natürlicher Personen zu betreffen, die prinzipiell nicht in den Geltungsbereich des Kodex fällt.
Allerdings wurde in Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ vom 7. Dezember 2010 (Dokument Nr. 17380/10 FISC 149) im Rahmen einer Arbeitsgruppe des Rates die mögliche Einbeziehung solcher Maßnahmen in den Geltungsbereich des Kodex erörtert. Die Arbeitsgruppe vertrat die Auffassung, dass die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen generell nicht in den Geltungsbereich des Kodex fällt, gewisse Aspekte dieser Besteuerung jedoch berücksichtigt werden könnten, wenn ihre Wechselwirkung mit anderen steuerlichen Maßnahmen schädliche Auswirkungen auf die Unternehmensbesteuerung hat. Die nationale Regelung, auf die sich die Frage bezieht, scheint keine derartige Auswirkung zu haben und würde daher nicht in den Geltungsbereich des Kodex fallen.
Der Vorschlag der Kommission, den Kodex zu reformieren und ihn so moderner und wirksamer zu machen, hat bisher einige nützliche Ergebnisse erzielt. Allerdings besteht bisher keine Einigkeit darüber, ob der Geltungsbereich des Kodex über die Unternehmensbesteuerung hinaus ausgeweitet werden sollte.
In Anbetracht der in den letzten Jahren auf der Grundlage von Initiativen der Kommission erzielten erheblichen Fortschritte in Bezug auf den Austausch von Steuerinformationen besteht durch die betreffende Maßnahme keine erkennbare Gefahr einer Steuerumgehung. Angesichts der Tatsache, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, ihre nationalen Steuersätze festzulegen, liegt darüber hinaus keine Abweichung vom Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit vor.