Als Ratspräsident Charles Michel sich Anfang April in Ankara auf den einzigen freien Platz setzte, war ihm nicht bewusst, dass er dafür vor dem EU-Parlament Rede und Antwort stehen würde. Dass die EU Kommissionspräsidentin keinen angemessenen Platz in der Türkei bekommen hat, ist nicht nur ihr gegenüber, sondern vor allem uns allen in der EU gegenüber eine Provokation. Manche fragen sich vielleicht: Warum – es war ja nur ein Sessel?
Die Aufregung war vor allem groß, weil wir Frauen diese Situation nur zu gut kennen: wir konnten nachvollziehen was es heißt weggeschoben zu werden, klein gemacht zu werden! Denn genau das passiert uns tagtäglich: von fehlenden Plätzen am Verhandlungstisch, über schlechtere Bezahlung und Dreifachbelastung bis hin zu häuslicher Gewalt. Wir sehen und spüren die Diskriminierung jeden Tag. Und besonders beigetragen hat natürlich die Ankündigung der Türkei ein paar Tage zuvor die Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt zu verlassen. Dabei sind alleine seit Beginn dieses Jahres in der Türkei über 400 Frauen von (Ex)Partnern ermordet worden – die Umsetzung der Konvention also besonders wichtig!
Die Aufmerksamkeit rund um Sofagate gibt uns aber auch die Möglichkeit den Grundsatz „Taten nicht nur Worte“ endlich umzusetzen. Präsident Michel ist hier jetzt besonders gefragt, aber auch die Staats- und Regierungschefs: einerseits muss der Gewaltschutz verbessert werden und andererseits die seit 8 Jahren blockierte Richtlinie zu gender balance in Unternehmensspitzen im Rat weiterzubringen (wie in Ihrem Brief vom 23. April versprochen). Er muss zu seiner Verantwortung stehen und dazu beitragen, dass es künftig überall genug Sessel für Frauen gibt.