Präsentation der Säule sozialer Rechte

 27. April 2017

Mit den Eckpunkten der Kommission müssen wir jetzt ein soziales Fundament in Europa schaffen.

Am 26.4. hat die EU-Kommission ihre Vorschläge für die Säule sozialer Rechte präsentiert und ich bin froh, dass Soziales endlich wieder auf der Tagesordnung steht. Das vorgelegte Paket der Kommission beinhaltet wesentliche Forderungen für eine bessere soziale Absicherung aller EuropäerInnen, bleibt aber leider wenig verbindlich bei der Umsetzung. Auf den Vorschlägen der Kommission aufbauend müssen wir nun das Soziale Fundament für Europa schaffen. Denn es geht jetzt um die Wurst! Wir haben große Herausforderungen zu bewältigen: die zunehmende Ungleichheit und Armut, Globalisierung, Digitalisierung und der demografische Wandel. Wir müssen den Glauben der BürgerInnen in die Europäische Union als einen Raum des Friedens und der Sicherheit wieder zurückgewinnen. Dafür ist das was auf dem Tisch liegt, nicht genug. Europa braucht mehr als einen unverbindlichen Sozialkatalog. Wir müssen die Sorgen der BürgerInnen ernst nehmen und gute Jobs, gerechte Mindestlöhne und Mindesteinkommen in allen Mitgliedsstaaten schaffen. Dazu muss die EU- Grundrechtecharta und den darin verankerten sozialen Grundrechten mit konkreten gesetzlichen Maßnahmen zum Leben erweckt werden. Hier finden wir beispielsweise das Grundrecht, dass zur Arbeit zugelassene Jugendliche vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt werden müssen. Diesen programmatischen Grundrechten müssen konkrete Rechtsrahmen folgen. Ich werde die nächsten zweieinhalb Jahre im EU-Parlament nutzen, um alles dafür zu tun, dass die sozialen Rechte mehr als nur einzelne Überschriften werden. Ich werde mich weiter für das soziale Europa einsetzen, denn die Zukunft der EU kann nur auf einem stabilen sozialen Fundament aufgebaut werden.

 

Zu den Vorschlägen im Detail:

Das heute präsentierte Paket der Kommission besteht im Wesentlichen aus einer Empfehlung der Kommission (20 Prinzipien einer Sozialen Säule) und einem Vorschlag für eine gemeinsame Erklärung des EU-Parlaments, des Rats und der Kommission, zu dem wir im EU-Parlament unsere sozialdemokratischen Standpunkte einbringen können. Darüber hinaus hat die Kommission ein Reflexionspapier zur sozialen Dimension vorgeschlagen und startete zwei Konsultationen der europäischen Sozialpartner im Europäischen sozialen Dialog. Sollten sich der Europäische Gewerkschaftsbund und Business Europe einigen, wird es neue Regelungen über die Verpflichtung für ArbeitgeberInnen geben, ArbeitnehmerInnen über ihre Arbeitsbedingungen zu informieren. Außerdem sollen die Sozialpartner darüber verhandeln, wie auch Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und Selbstständige Zugang zu sozialem Schutz erreichen können. Über die Anwendung der Arbeitszeit-Richtlinie hat die Kommission eine Mitteilung sowie einen Umsetzungsbericht verfasst. Die Implementierung der Sozialen Säule soll durch ein Social Scoreboard überwacht werden.

 

Die einzige legislative Maßnahme des am 26.4.2017 präsentierten Pakets ist die Work-Life Balance Richtlinie. Der Vorschlag enthält wesentliche Erleichterungen für die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben:

>> EU-weiter Vaterschaftsurlaub von mindestens 10 Tagen EU-weit
>> EU-weiter Elternurlaub von mindestens 4 Monaten
>> EU-weiter Pflegeurlaub von mindestens 5 Arbeitstagen
>> Anspruch auf adäquates Einkommen während des Pflegeurlaubs
>> flexible Arbeitszeiten für junge Eltern
>> europaweiter Kündigungsschutz bei Pflegeurlaub

In den Arbeiten am Kommissionsvorschlag werden wir uns im EU-Parlament für weitere Verbesserungen, einsetzen, damit die Menschen in Europa ein ausgewogeneres Verhältnis von Beruf und Privatleben bekommen.

 

Der Vorschlag der Kommission: 20 Prinzipien für soziale Rechte

Die 20 Punkte greifen im Wesentlichen unseren Fahrplan vom EU-Parlament für ein soziales Europa auf, richten sich aber vorrangig an die Mitgliedsstaaten der Eurozone. Mit dem Vorschlag der 20 Prinzipien spielt die Kommission den Ball aber an die Mitgliedsstaaten zurück. Es soll jetzt an ihnen liegen gemeinsam mit den Sozialpartnern diese auch umzusetzen. Für mich ist klar, die schönen Überschriften jetzt dringend mit konkreten Gesetzesmaßnahmen ausgestaltet werden müssen, damit diese Rechte auch gewährleistet sind:

 

1. Kapitel: gleiche Chancen beim Zugang zum Arbeitsmarkt

1. Jede/jeder soll das Recht zu inklusiver Bildung, Training und Lebenslangen Lernen haben

2. Chancengleichheit von Frauen & Männern: Arbeitsmarktpartizipation, Karrieremöglichkeiten, Entlohnung

3. Chancengleichheit; keine Diskriminierung

4. aktive Unterstützung für Arbeit: Unterstützung bei Jobsuche & neuen Karrieren, Mitnahme von erworbenen Sozialschutz, EU-Jugendgarantie, adäquate Unterstützung bei Arbeitslosen & individuelle Unterstützung bei Langzeitarbeitslosigkeit

2. Kapitel: Faire Arbeitsbedingungen

5. sichere & anpassungsfähige Jobs: faire Arbeitsbedingungen & Zugang zu sozialer Sicherheit unabhängig von Typ & Dauer der Beschäftigung; Möglichkeit für ArbeitgeberInnen sich an ökonomische Änderungen anzupassen; Unterstützung neuer innovativer Arbeitsformen (Entrepreneurship & Selbstanstellung); Verbot von prekären Arbeitsbedingungen, Probemonate müssen angemessen sein

6. faire Löhne für ordentlichen Lebensstandard; adäquate Mindestlöhnen; Transparenz;

7. schriftliche Informationen an ArbeitnehmerInnen über Rechte & Pflichten; Informationen vor Kündigung über Gründe; angemessene Kündigungsfrist; adäquate Kompensation bei ungerechtfertigter Kündigung

8. Sozialpartner sollen bei Entwicklung und Implementierung von Arbeits- & Sozialpolitik (entsprechend der nationalen Regeln) einbezogen werden; ArbeitnehmerInnen müssen über Veränderungen der Unternehmen informiert werden; mehr Kapazität für Sozialpartner

9. Work-life balance

10. Gesundheits- und Sicherheitsstandards; Recht auf hohen Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz, Recht auf besonderen Arbeitnehmerdatenschutz.

3. Kapitel: Sozialer Schutz & Inklusion

11. Kinder müssen vor Armut geschützt werden; Recht auf frühzeitige Bildung; Chancengleichheit für benachteiligte Kinder

12. Angemessener sozialer Schutz unabhängig von Arbeitstyp & -dauer und Selbstständige in vergleichbarer Situation

13. angemessene Arbeitslosenunterstützung, die aber keinen Anreiz zum Nicht-Arbeiten schaffen soll

14. adäquates Mindesteinkommen

15. Pensionen müssen ein angemessenes Einkommen schaffen; Chancengleichheit bei Männern & Frauen

16. Gesundheitsvorsorge für alle

17. Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen

18. Ermöglichung der langfristige Pflege von zuhause oder in öffentlichen Einrichtungen

19. Soziales Wohnen für diejenigen die es auch brauchen; Schutz vor Räumung; Unterkünfte für Obdachlose

20. jedeR muss Zugang zu essentiellen Dienstleistungen haben

 

Im Reflexionspapier zur sozialen Dimension Europas analysiert die Kommission – ähnlich wie im Weißbuch über die Zukunft der EU – unterschiedliche Wege für die Zukunft:

A) Begrenzung der Sozialen Dimension auf Freizügigkeit: Alle Regeln die nicht direkt die grenzüberschreitende Tätigkeit von Personen beeinflussen werden nicht mehr EU-weit geregelt. Das würde beispielsweise bedeuten, dass LKW-FahrerInnen in jedem Land mit anderen Fahr- und Ruhezeiten und unterschiedlichen Stundenlöhnen konfrontiert wären.
B) Koalition der Willigen: Die Mitgliedsstaaten, die enger im Sozialen kooperieren wollen, sollen das tun. Das würde beispielsweise bedeuten, dass in manchen Mitgliedsstaaten Menschen höhere Arbeitslosenunterstützung als davor bekommen und sie bei Verlust des Arbeitsplatzes auch die Möglichkeit haben – innerhalb der Gruppe der willigen Mitgliedsstaaten- bessere Chancen haben einen neuen Job zu bekommen und von gemeinsamen Unterstützungs- und Trainingsmaßnahmen profitieren.
C) EU 27 vertieft gemeinsam die Soziale Dimension: Das würde beispielsweise bedeuten, dass Gehälter von LKW FahrerInnen gemeinsamen von den EU-Sozialpartnern verhandelt werden und innerhalb der gesamten EU gelten.

 

Alle Dokumente und Informationen zur Sozialen Säule findet ihr unter: https://ec.europa.eu/commission/priorities/deeper-and-fairer-economic-and-monetary-union/european-pillar-social-rights_en