Vor dem Sommer haben wir im EU-Parlament noch einige wichtige Beschlüsse gefasst. Ein besonders wichtiger ist jener zu den sexuellen und reproduktiven Rechten von Frauen. In diesem geht es darum, dass Frauen entscheiden, ob und wie viele Kinder sie möchten, ob und wie sie verhüten möchten, dass sie Zugang zu allen notwendigen Gesundheitseinrichtungen und Informationen haben, um diese Entscheidungen zu treffen – kurzum, dass Frauen über ihren eigenen Körper selbst bestimmen. Damit wahren wir nicht nur die Menschenrechte aller Frauen, sondern auch die Kinderrechte und vor allem stärken wir Familien in all ihrer Vielfalt.
Dazu ist viel Falschinformation kursiert, die die Diskussion störte, aber wir konnten diesen historischen Schritt dennoch erfolgreich setzen. Vor allem zum heiß diskutierten Schwangerschaftsabbruch gibt es eines zu sagen: Schwangerschaftsabbrüche wird es immer geben, egal ob sie erlaubt sind oder nicht. Der große Unterschied ist, dass bei einem Verbot das Leben von Schwangeren willentlich und wissentlich aufs Spiel gesetzt wird. Wer die Forderung für einen besseren Zugang zu sicheren Abtreibungen als „nationale Einmischung“ abtut, spielt mit der Gesundheit von tausenden Frauen.
Der fundamentale Backlash gegen Frauenrechte schleicht sich nicht erst heran, sondern ist mitten in Europa angekommen. Als Feministin und Vorsitzende des Ausschusses für Frauenrechte und Gleichstellung, wo der Bericht federführend verhandelt wurde, verfolge ich seit Jahren, wie der Kulturkampf auf den Körpern von Frauen ausgetragen wird. Es beginnt mit der Diskussion über ein Verbot von Sexualkunde in der Schule, geht weiter mit der Diskriminierung von LGBTIQ-Personen und restriktiven Abtreibungsgesetzen und führt zum angekündigten Austritt der Istanbul-Konvention, jenem völkerrechtlichen Übereinkommen für den Gewaltschutz von Frauen. All diese Schritte hat die polnische Regierung gesetzt und so manch andere möchte hier schnellen Schrittes ebenfalls in das vorige Jahrhundert zurück.
Dieser autoritäre Backlash bedroht wesentliche Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Dagegen muss und wird sich das Europaparlament als Garant für Gleichstellung wehren – der erwähnte Bericht ist dabei essentiell und gleichzeitig nur ein Schritt von vielen. Seit Jahren fordert das EU-Parlament schon, dass das Recht auf körperliche Selbstbestimmung in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert wird.
Denn sexuelle und reproduktive Rechte sind vor allem Grundrechte. Sie sind Schlüssel zu mehr Gleichstellung und tragen wesentlich dazu bei, geschlechtsspezifische Gewalt und Armut zu beseitigen. Daher braucht es selbstverständlich einen breiten Zugang zu Verhütungsmitteln, Beratungseinrichtungen, Gesundheitsversorgung sowie zu legalen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen genauso wie medizinische Versorgung bei Unfruchtbarkeit. Und natürlich steht dabei ganz zentral ein altersgerechter Sexualkundeunterricht. All das zeichnet ein modernes Gesundheits- und Rechtsstaatlichkeitssystem aus, rettet Frauenleben und bietet Kindern ein gesundes und sicheres Familienleben.