SPÖ-EU-Delegationsleiterin: „Gelbe Karte der nationalen Parlamente ist ungerechtfertigt“
Der Kommissionsvorschlag zur Überarbeitung der Entsenderichtlinie hat die gelbe Karte von 14 nationalen Parlamenten aus elf Mitgliedstaaten bekommen. Zum dritten Mal seit Bestehen des Instruments wurde die benötigte Anzahl der begründeten Stellungnahmen von nationalen Parlamenten erreicht, um die „gelbe Karte“ – diesmal für die Entsenderichtlinie – zu ziehen. Gestern beriet der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments über die Einwände dieser Subsidiaritätsrüge, die mehrheitlich aus mittel- und osteuropäischen Staaten kommt. „Die Entsenderichtlinie ist das wichtigste Instrument, um unfairen Wettbewerb sowie Lohn- und Sozialdumping bei entsandten ArbeitnehmerInnen zu verhindern. Alle Beschäftigten sollen Vorteile aus dem Binnenmarkt und dessen Freiheiten ziehen und nicht gegeneinander ausgespielt werden. Dazu ist es aber dringend notwendig, das aus dem Jahr 1996 stammende Gesetz auf Vordermann zu bringen und seine Überarbeitung voranzutreiben, um endlich dem Missbrauch zu begegnen“, betont SPÖ-EU-Delegationsleiterin Evelyn Regner.
„Die Durchsetzungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie allein reicht nicht aus, um die Ungleichbehandlungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den damit einhergehenden Vertrauensverlust in die EU zu bekämpfen. Wir brauchen grundlegende Veränderungen im materiellen Recht – und das rasch“, fordert die SPÖ-Europaabgeordnete. Regner bezieht sich dabei auf die mehrmals genannten Einwände, erst die Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie abzuwarten und deren Anwendung zu evaluieren. „In Österreich hat Bundesminister Alois Stöger die bis 18. Juni ins nationale Recht umzusetzende Direktive erfolgreich ins neue Lohn- und Sozialdumpinggesetz gegossen und damit effektivere Kontroll- und Sanktionsmechanismen bei Verstößen eingeführt“, so Regner.
Eine Subsidiaritätsrüge hat dann Aussicht auf Erfolg, wenn die nationalen Kompetenzen eines Mitgliedstaats missachtet werden. Die elf Mitgliedstaaten stellen sich aus ganz anderen Motiven gegen eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie und argumentieren fadenscheinig mit der Subsidiarität, so Regner: „Bei der Entsendung von Beschäftigten in ein anderes EU-Land geht es klar um eine der vier EU-Grundfreiheiten. Sie erfordern es, auf europäischer Ebene für Regeln zu sorgen, gerade um das Entstehen von unfairem Wettbewerb zu verhindern. Die Entsenderichtlinie regelt nur grenzüberschreitende Fälle. Daher ist es unmöglich, dieses Thema nur national ohne europäische Vorgabe zu behandeln.“ Die SPÖ-EU-Delegationsleiterin verweist darauf, dass sich der Kommissionsvorschlag auf bestehende Gesetzgebungen bezieht: „Subsidiarität ist somit gar kein Thema.“
Kommissarin Marianne Thyssen hat sich gestern Nachmittag im Beschäftigungs-und Sozialausschuss zur Subsidiaritätsrüge geäußert und hervorgehoben, dass der Vorschlag ausgewogen sei und das Subsidiaritätsprinzip respektiere. Die Kommission werde aber alle begründeten Stellungnahmen im Detail prüfen, im Kollegium der EU-Kommission diskutieren und über die Weiterbehandlung entscheiden. Nach einer Subsidiaritätsrüge hat die Kommission ihren Vorschlag zu überprüfen und kann in Folge unter Begründung entscheiden, ob sie ihn beibehält, verändert oder zurückzieht.