Besondere Beschaffungsregeln bei Dienstleistungsvergabe

 3. Dezember 2015

Im Juli habe ich eine Anfrage zu besondere Beschaffungsregeln bei Dienstleistungsvergabe gestellt:

 

Artikel 74 der Richtlinie 2014/24/EU sieht vor, dass öffentliche Aufträge im Oberschwellenbereich, die in Anhang XIV aufgeführte Dienstleistungen betreffen, im Einklang mit den „Besonderen Beschaffungsregeln“ (Titel III, Kapitel I) vergeben werden sollen. Nach Artikel 77 derselben Richtlinie können die Mitgliedstaaten das Recht auf Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren für in diesem Artikel per CPV-Codes angeführte Dienstleistungen bestimmten Organisationen vorbehalten, z. B. gemeinnützigen Organisationen.

 

1. Ist Artikel 77 so auszulegen, dass die Mitgliedstaaten diesen in den nationalen Rechtsrahmen übernehmen können, aber nicht müssen?

2. Sind für den Fall, dass ein Mitgliedstaat das Recht auf Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren laut Artikel 77 vorbehält, alle in diesem Artikel per CPV-Codes angeführten Dienstleistungen bestimmten Organisationen vorbehalten, oder besteht die Möglichkeit, nur bestimmte in Artikel 77 per CPV-Codes angeführte Dienstleistungen vorzubehalten und andere nicht?

3. Um an öffentlichen Vergabeverfahren für vorbehaltene Dienstleistungen teilnehmen zu können, müssen die betreffenden Organisationen die in Artikel 77 Absatz 2 angeführten kumulativen Kriterien erfüllen. Steht also außer Diskussion, dass alle diese Kriterien in die nationale Gesetzgebung übernommen werden müssen, oder können bestimmte Kriterien ausgespart werden?

                                                                 
Antwort von Frau Bieńkowska im Namen der Kommission (3.12.2015)

 

1. Gemäß Artikel 77 der Richtlinie 2014/24/EU[1] steht es den Mitgliedstaaten tatsächlich frei, ob sie diese Bestimmung übernehmen oder nicht.

2. Die Mitgliedstaaten haben nicht nur die Möglichkeit, Artikel 77 nicht umzusetzen, sondern sie können auch den Geltungsbereich des Artikels einschränken, indem sie es öffentlichen Auftraggebern ermöglichen, nur einen Teil der in Artikel 77 angeführten Dienstleistungen vorzubehalten und andere nicht.

3. Es sei daran erinnert, dass Artikel 77 eine Ausnahme darstellt, da er es ermöglicht, bestimmte (Arten an) Aufträge(n) bestimmten Gruppen von Organisationen (Wirtschaftsteilnehmern) vorzubehalten und andere Wirtschaftsteilnehmer auszuschließen. Wie in Artikel 77 Absatz 2 ausdrücklich dargelegt, können nur die Organisationen, die alle in diesem Absatz angeführten Bedingungen erfüllen, bei der Vergabe eines Auftrags berücksichtigt werden, der gemäß Artikel 77 vorbehalten wurde. Falls Mitgliedstaaten (oder einzelne öffentliche Auftraggeber) auch anderen Wirtschaftsteilnehmern den Zugang zu diesen Aufträgen ermöglichen möchten, können sie dies nur erreichen, indem sie die Aufträge nicht für bestimmte Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern zurückhalten.

                                                                 

[1] Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65).