Der lange Weg zur Gleichberechtigung: es ist noch viel zu tun!

 13. Februar 2020

Wir feiern das 25-Jahr-Jubiläum eines Dokuments, das so umfassend und klar die Rechte der Frauen zusammenfasst und definiert wie noch nie ein Dokument zuvor. Nach wie vor stellt die Pekinger Erklärung, die bei der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking verabschiedet wurde, eines der progressivsten, eines der umfassendsten und am klarsten formulierten Dokumente über die Rechte der Frauen dar, die es gibt. Alle Lebensbereiche sind abgedeckt, die vollständige Gleichstellung von Frauen mit Männern ist gedacht – ob jung oder alt, reich oder arm, ob Frauen, die im Frieden leben, Frauen, die im Krieg leben, das öffentliche sowie das private Leben – umfassend und progressiv haben 1995 alle teilnehmenden Regierungen deklariert: „Wir erkennen Frauenrechte als Menschenrechte an.“ Wir haben eine 25 Jahre alte Magna Charta der Frauen, die alle Frauenrechte zu Menschenrechten macht und Frauen in allen Lebensbereichen mit Männern gleichstellt. Die Deklaration enthält umfassende Handlungsanweisungen an alle Regierungen, an NGOs und bezieht sämtliche weitere multi-level stakeholder in die Handlungsvorschläge mit ein. 189 Regierungen haben sich zur Mitarbeit, Umsetzung, Realisierung der Rechte für die Frauen in der Welt verpflichtet, und seitdem wird alle fünf Jahre der Fortschritt überprüft.

Was ich besonders an der Deklaration hervorheben möchte, ist, dass wir durchwegs von der Machtgleichstellung der Frauen sprechen. „Machtgleichstellung“ – was für ein modernes wording. Dass die volle und ausdrückliche Anerkennung und Bekräftigung des Rechts aller Frauen, über alle Aspekte ihrer Gesundheit, insbesondere ihre eigene Fruchtbarkeit, zu bestimmen, eine Grundvoraussetzung ihrer Machtgleichstellung ist; dass der Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen, zu Grund und Boden, Krediten, Wissenschaft und Technologie, Berufsausbildung, Information, Kommunikation und zu den Märkten voll und gleichberechtigt gewährt wird – also ich zitiere daraus.

25 Jahre nach der Verabschiedung muss jedoch ein schlechtes Urteil gefällt werden. In keinem Land wurde die vollkommene Gleichstellung von Frauen erreicht. Kein Land – nicht einmal die Staaten der Europäischen Union – kann die Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper gewährleisten. Wir als Europäische Union stecken fest, wenn es um die gemeinsamen Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen geht, und dürfen uns nicht als gut dastehende Region rühmen. Die Richtlinie Gender Balance on Boards, die Frauen in Entscheidungsposten stärken soll – seit acht Jahren blockiert. Dieses Jahr hätte sie in ganz Europa vollständig umgesetzt werden sollen. Wir haben keine vollkommene Gleichstellung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Immer noch gibt es Diskriminierung, und Bereiche wie zum Beispiel Werbung sind ausgenommen. Wir haben ganz klar eine europaweit bestehende Diskriminierung beim Verdienst. Selbst nach bereinigten Zahlen sehen wir, dass die Lohn- und Gehaltsschere nach wie vor gewaltig auseinanderklafft. 500 000 junge Frauen, also eine halbe Million Frauen und Mädchen, werden Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung – und das nicht irgendwo außerhalb, sondern innerhalb Europas. Diese Beispiele, diese Zahlen sind beschämend für Europa und die meisten Regierungen. Berechtigterweise richte ich meine Kritik an den Rat, an die Regierungen, die verpflichtet sind, die Hälfte ihrer Bevölkerung, nämlich ihre Staatsbürgerinnen, gleichwertig zu vertreten, gleichwertig zu unterstützen und positiv zu fördern, bis eine vollkommene Gleichstellung erreicht ist.

Traditionelle, kulturelle, religiöse Machismen verhindern nach wie vor und mehr denn je den Abbau von patriarchalen Machtstrukturen und messen Frauen einen geringeren Wert als Mensch zu als Männern. Deshalb müssen wir gerade auch auf europäischer Ebene als Garant für Frauenrechte als Menschenrechte kämpfen. Deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass Rückschritte innerhalb der EU in einzelnen Mitgliedstaaten oder als gemeinsamer globaler Akteur in der restlichen Welt geschehen. Ich mahne Sie. Es geht um die Hälfte der Bevölkerung! Negieren Sie die Menschenrechte von Frauen nicht!

Wir wissen, die Pekinger Erklärung von 1995 bindet die Regierungen nicht verpflichtend, aber wir Frauen in dieser Welt haben damit ein Dokument in der Hand, das internationale Legitimität verschafft. Wir werden nicht loslassen, wir werden kämpfen für einen echten Fortschritt. Das Dokument muss jetzt mit Leben erfüllt werden. Die Vereinten Nationen sind jetzt voll dahinter, in Aktion zu treten. Die UN braucht aber Mitarbeit der Regierungen. Sie richtet action coalitions ein, Engagement – Mexiko und Paris möchte ich erwähnen –, engmaschigere Kontrollen des Fortschritts und der Umsetzung sind notwendig. Hier platziere ich daher meinen Appell an die sehr geehrten Abgeordneten, morgen bei der die Anfrage begleitenden Abstimmung meine zwei Abänderungsanträge zu den action coalitions zu unterstützen.

Wir im Europäischen Parlament wollen eine starke Beteiligung und ein multilaterales Vorgehen. Die Vereinten Nationen leben von der Zusammenarbeit, dem gemeinsamen Willen, dem gemeinsamen Handeln. Als Europäische Union müssen wir voll dafür eintreten – gemeinsam und in Vielfalt.